Die Geschichte von den Flufflingen

Es war einmal in einem fernen Land, das von sanften Hügeln und üppigen Wäldern geprägt war, eine Herde von kleinen, pelzigen Tieren. Sie nannten sich selbst: die Flufflinge. Diese Tiere waren nicht nur außergewöhnlich niedlich und kuschelig, sondern sie lebten auch in vollkommener Harmonie miteinander. Sie sorgten füreinander, teilten ihre Freuden und sorgten füreinander in Zeiten der Not. Jeder Fufffling gab, was er von Herzen geben wollte. Die einen kümmerten sich um das Essen, die anderen bauten Häuser, wieder andere dachten sich Geschichten aus oder erfanden Melodien. Und immer, wenn eines von ihnen traurig war, gab es ein anderes, das Trost spendete. Sie lachten zusammen, tanzten zusammen, spielten zusammen, kuschelten miteinander und schenkten einander Freude in jeder Form, die man sich vorstellen konnte. Misstrauen gab es nicht. Alle lebten zusammen in Freiheit und Glück.

Doch eines Tages geschah etwas Unvorhergesehenes. In einem unglücklichen Augenblick stolperte eines der Tiere so ungeschickt, dass es dabei ein anderes  verletzte. Zuerst schien es nur ein kleiner Unfall zu sein, doch die Auswirkungen waren sehr tief. Das verletzte Tier fühlte sich betrogen und traurig, während das andere tief erschüttert über sein Missgeschick war. Zwischen den beiden entstand etwas, das es vorher nicht gegeben hatte. Eine Distanz, die sich hart und kalt anfühlte. In dem verletzten Fluffling keimte von irgendwoher der Gedanke, dass ihn das andere mit Absicht verletzt hatte. Ein winziger, eiskalter Funke von Misstrauen wuchs und wuchs in ihm. Aus dem Funken wurde ein großes Feuer der Verunsicherung und des Misstrauens. Es breitete sich unter den Tieren aus, und allmählich begannen sie, sich voneinander zu entfernen.

Immer öfter kamen Streitigkeiten zwischen den Flufflingen vor. Wenn sie sich zufällig begegneten, zogen sie sich misstrauisch zurück oder warfen einander böse Blicke zu. Früher hatten sie stundenlang zusammengespielt, gelacht und gekuschelt. Nun redeten sie kaum noch miteinander und gingen eilig aneinander vorbei und voneinander fort.

Besonders schlimm wurde es, wenn die Flufflings um Nahrung konkurrierten. Da niemand dem anderen etwas abgeben wollte, gab es häufig Gerangel um die besten Äpfel oder die frischesten Gräser. Einige der Tiere fingen sogar an, ihre selbstgebauten Vorräte zu horten und vor den anderen gut zu verstecken. Aus Freundschaft wurde Neid und Misstrauen.

Sie hörten immer mehr auf, einander zu vertrauen. Sie freuten sich nicht mehr miteinander und füreinander, sie wollten sich auch immer weniger Freude schenken.

Die einst so enge Gemeinschaft zerfiel immer mehr. Statt gemeinsam zu spielen und zu kuscheln, zogen sich die Tiere in ihre eigenen kleinen Kisten zurück, die sie sich als Schutz gebaut hatten. Und sie fingen an, sich zu erzählen, dass Abstand und Gegeneinander ihre wahre Natur sei und dass es sie sich voreinander schützen mussten, weil die anderen im Herzen böse seien. Und sie glaubten das immer mehr und die Erinnerung an die glückliche Zeit verblasste. Wenn einer davon sprach, nannten sie ihn einen Träumer, sie sagten, das sei nur eine Wunschvorstellung, die Realität wäre ganz anders.

Weil sie einander nicht mehr vertrauten, erfanden sie Regeln und Gesetze. Wenn einer etwas von einem anderen Fluffling bekam, war er verpflichtet, dafür auch etwas zurückzugeben. Irgendwann erfanden sie dafür kleine Zettel, auf denen Stand, was der eine dem anderen noch schuldete. Kuscheln war nur noch mit einem einzigen andern Fluffling erlaubt, mit dem man eine Kuschelpartnerschaft eingehen musste. Und selbst dann war das Kuscheln auch nur in den kleinen Kisten erlaubt. In der Öffentlichkeit war es verboten, es galt als gefährlich und unmoralisch.

Um ihre Kisten herum bauten sie erst Zäune, dann Mauern. Sie fürchteten sich vor weiteren Verletzungen und wagten es kaum noch, einander zu begegnen. Die Kisten wurden zu ihren Gefängnissen, und die Freude wich der Angst.

Die Entfremdung unter den Tieren wurde immer deutlicher. Wo einst Lachen und Fröhlichkeit herrschten, breitete sich nun Stille und Einsamkeit aus. Die einst so lebhaften Begegnungen waren nun von Unsicherheit und Misstrauen geprägt. Selbst diejenigen, die sich am meisten geliebt hatten, wandten sich nun voneinander ab.

Sie spürten ihr Unglück, aber sie konnten es nicht verstehen. Es musste wohl daran liegen, dass es viel zu viele Flufflinge gab, die von Natur aus böse waren. Es gab deshalb nun mal keine andere Lösung, als sich voreinander zu schützen.

Weil sie einander so misstrauten, kamen sie auch nicht mehr auf die Idee, dass Heilung im Miteinander liegen könnte. Sie erzählten sich gegenseitig: Jeder ist für sein Unglück selbst verantwortlich. Wenn man sich nur genug Mühe gibt, dann kann man glücklich sein. Das schafft man nur alleine, weil die anderen sind ja böse und machen das eigene Glück kaputt.

Nur keinem Fluffling gelang es, wirklich alleine glücklich zu sein.

Einige glaubten, dass sie mehr besitzen müssten, um wieder glücklich zu sein, und begannen, ihre Kisten mit allen möglichen Dingen zu füllen. Doch selbst als ihre Kisten überquollen, fühlten sie sich nicht glücklicher oder sicherer.

Andere glaubte, man könne glücklich werden, in dem man sich vorstellte, schon glücklich zu sein. Das fühlte sich zwar für den Moment ganz gut an, aber echtes Glück fanden sie auch auf diesem Weg nicht.

Es dauerte eine Weile, bis ein weiser Fluffling erkannte; Sie mussten handeln. Sie mussten aus ihren Kisten herauskommen und sich einander wieder annähern. Nur so konnten sie ihre Gemeinschaft wiederherstellen und wahres Glück finden. Sie mussten das Misstrauen überwinden und aufeinander zugehen.

„Bist du verrückt“, riefen die anderen Flufflinge entsetzt. „Wir können nicht auf die anderen zugehen, die anderen sind böse! So ist nun mal die Natur!“.  Sie jagten den weisen Fluffling fort und erklärten seine Ideen für gefährlich und verboten.

Und so lebten sie viele weitere Jahre in ihren umzäunten und eingemauerten Kisten.

Eines Tages geschah jedoch etwas Unerwartetes. Zwei noch sehr junge Fliufflinge begegneten sich zufällig beim Spielen. Sie schauten sich ängstlich in die Augen, sie wussten ja: die anderen sind gefährlich. Aber in den Augen des Anderen erkannten sie auf einmal sich selbst. Erst hielten sie noch scheu voneinander Abstand. Doch dann überwand sich eines der Jungtiere und bot dem anderen schüchtern einen Apfel an.

Das andere Fluffling zögerte zunächst, griff aber doch vorsichtig danach. Aber weil es im anderen Fluffling sich selbst erkannt hatte, begann es leise zu lächeln und bedankte sich. Bald spielten die beiden wieder fröhlich zusammen wie zu den lange vergessenen Zeiten vor der Trennung. Andere Flufflinge, die das sahen, beobachteten das Geschehen misstrauisch. Aber in manchen regte sich in etwas, eine ferne Erinnerung an früheres Glück. Ein Funke des Erkennens.

Von nun an kam es öfter vor, dass einzelne von ihnen den Mut fanden, auf andere zuzugehen. Langsam keimte die Hoffnung in den Flufflingen auf, dass ihre Gemeinschaft womöglich doch nicht für immer zerstört sein musste. Vielleicht gab es ja doch einen Weg. Sie erkannten, dass die anderen Flufflinge nicht böse waren, weil sie waren wie sie, weil alle Flufflinge gemeinsam Teil von etwas Größerem waren.

Und deshalb gab es auch immer mehr Flufflinge, die sich fragten, ob die anderen wirklich im Herzen böse waren. Besitz hatte sie nicht glücklich gemacht, und die Vorstellung, schon glücklich zu sein, auch nicht. Sie erinnerten sich wieder an die lange vergangenen Zeiten, als sie zusammen lachten und spielten, und an die Liebe und Unterstützung, die sie einander gaben. Langsam begannen immer mehr Flufflinge zu erkennen, dass der einzige Weg um wieder glücklich zu werden, die Wiederentdeckung ihrer Verbundenheit war.

Schritt für Schritt wagten sie es, ihre Kisten zu verlassen und sich einander wieder anzunähern. Sie erkannten, dass Vergebung und Verständnis der Schlüssel zur Heilung ihrer zerbrochenen Gemeinschaft und ihrer zerbrochenen Herzen waren. Sie erkannten, dass sie sich gegenseitig heilen konnten Und so begannen sie, sich ganz vorsichtig wieder zu umarmen und zu trösten, und allmählich kehrte das Glück in ihr Leben zurück. Schritt für Schritt und ganz langsam heilten sie. Und sie erkannten, dass sie nicht im Herzen böse waren, sondern dass Liebe ihre wahre Natur war.

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Martin

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