Einleitung
Ich habe hier schon länger nichts mehr geschrieben und das hat einen Grund: Ich war sehr mit meinen eigenen Themen mit meiner Kindheit und ihren Traumata und mit der Retterolle, in die mich diese Traumata gedrängt haben, beschäftigt. Ein Stück weit möchte ich euch auf diesem Blog in diesen Prozesse mitnehmen.
Eins vorneweg: das, was jetzt kommt, bedeutet nicht, dass Helfen etwas schlechtes ist. Im Gegenteil: ich bin der festen Überzeugung, dass wir einander unbedingt viel mehr unterstützen müssen, als wir das momentan tun. Aber wir müssen dabei auf uns selbst achten und vor allem darauf, dass wir uns selbst nicht verlieren.
Ein neuer Liedtext
Gestern ist im Nachklang der Aufnahme zu unserer neuen Wandelwege-Podcast Folge (Du findest den Podcast hier) spontan ein neuer Liedtext entstanden. Es ist einer der persönlichsten, die ich je geschrieben habe.
Ich möchte Ihn hier mit euch teilen und anschließend noch ein bisschen was darüber erzählen.
Der Leuchtturm
Warst umgeben von Stürmen und tobenden Wellen im Meer als kleines Kind.
Musstest erfahren, dass die Erwachsenen für dich kein Halt und keine Rettung sind.
Die strauchelten selber und sind gefallen und keiner war für sie da.
Dann hast du begonnen, sie aufzufangen
Auf einmal waren sie dir nah.
Refrain: Ich bin es leid, der Leuchtturm zu sein
der, der immer für andere da ist
Ich will nicht mehr zu leuchten, ich möchte selbst schreien
Nicht mehr der sein, der sich selbst stets vergisst
Sie waren so dankbar, du warst die große Hilfe, hast gelernt ihre Not zu verstehen.
Du warst so vernünftig und so erwachsen und wurdest endlich gesehen.
Du warst ihr Retter, ihr Leuchtturm im Dunkeln, nur hast du dich selber verloren,
Hast gelebt für die anderen und wurdest niemals in dein eigenes Leben geboren.
Ich bin es leid, der Leuchtturm zu sein
der, der immer für andere da ist
Ich will nicht mehr zu leuchten, ich möchte selbst schreien
Nicht mehr der sein, der sich selbst stets vergisst
Jetzt bist du fast alt, hast dein ganzes Leben als Retter der anderen verbracht
Du hast funktioniert, das ließ dich überleben
Und manchmal gabs dir auch Macht
Doch wenn du zurückblickst auf das, was immer fehlte, spürst du unendliche Wut
Spürst du ihre Kraft? Spürst du ihr Feuer? Verwandle sie endlich in Mut.
Ich bin es leid, der Leuchtturm zu sein
der, der immer für andere da ist
Ich will nicht mehr zu leuchten, ich möchte selbst schreien
Nicht mehr der sein, der sich selbst stets vergisst
Dieser Text ist bei einem Spaziergang im Wald entstanden. Er ist einfach so aus mir heraus geflossen und ich war überrascht über die Wut und über die Härte mancher Worte. Aber mir war auch klar: genau das ist meine Geschichte.
Die Last der Retterrolle
Als ich ungefähr fünf Jahre alt war wurde meine Mutter sehr schwer krank. Ich kann mich an dieser Zeit überhaupt nicht erinnern. Interessanterweise habe ich aber einige sehr detaillierte Erinnerungen an die Zeit davor und die Zeit danach. Was mir aber vollkommen klar ist, ist, dass ich in dieser Zeit in die Rolle hineingewachsen bin, die ich über viele, viele Jahre teilweise bis heute gespielt habe. Ich war der Helfer und der Retter. Dafür wurde ich gesehen und bekam viel Anerkennung und habe damit auch mein Geld verdient. Nur war das immer eine Rolle. Es war nicht ich. Manchmal ist mir diese Rolle auch über den Kopf gewachsen. Vermutlich schon damals, mit fünf Jahren und einer schwer kranken Mutter. Dann hab ich geblockt und mich zurückgezogen und jede Hilfe verweigert. Das hat dann die Menschen in meiner Umgebung irritiert. Aber meistens habe ich hervorragend funktioniert und darüber habe ich mich selbst verloren. Mein Chef hat mir mal gesagt, dass ich zwar vielleicht kein Musiker geworden sei, aber dafür ein toller Pädagoge. Das hat er positiv gemeint. Trotzdem war das einer der Momente, die letzten Endes dazu geführt haben, dass ich diesen Job irgendwann nicht mehr machen konnte. Denn diese Aussage hat mir klar gemacht: du bist nicht der, der du wirklich sein willst.
Wut als Treibstoff der Veränderung
Wenn ich darüber nachdenke spüre ich vor allem eines: Wut.
Und ich weiß: Wut ist Nicht-Akzeptanz, und ja, das stimmt auch. Denn ich akzeptiere die Retterrolle, die mir das Leben übergestülpt hat, nicht mehr. Und das ist auch gut so. Denn diese Rolle tut mir nicht gut, sie hindert mich daran, als ich selbst ins Leben geboren zu werden.
Und deshalb ist für mich Wut vor allem eines: Energie. Sie gibt mir die Energie, die nötig ist, um mich selbst aus dieser Rolle zu befreien. So wie Amadeus in meinem Buch eine Menge Wut gebraucht hat, um den Spiegel zu zerschlagen.
Die Wut wird mehr und mehr zu Mut werden, mich aus der Helfer- und Retterrolle zu befreien und als „ich selbst“ sichtbar zu werden. Und dieses Lied und dieser Blogartikel ist ein Schritt in diese Richtung.
Wenn du möchtest, kannst du das Lied hier anhören: