Wo Innana wartet
I.
Bevor Kreuze Schatten warfen,
war sie –
Königin zwischen Himmel und Körper.
Liebende. Kriegerin.
Ganz.
Widerspruch in sich.
Frei.
Sie ging hinab.
Sie ließ.
Krone. Macht. Gesicht.
Nackt starb sie
im Schoß der Schwester.
Drei Nächte
kein Wort.
Dann: Rückkehr.
Nicht gerettet.
Erkannt.
Bereit.
II.
Ein Mann, Jahrtausende später.
Zärtlich.
Unbequem.
Männer in roten Roben
nageln ihn
an das, was er nie war:
Retter. Opfer. Gott.
Sie schnüren seine Sanftheit zu Gehorsam.
Sein Mitgefühl zu Dogma.
Sein Körper –
verbannt.
Und er lässt es zu.
Glaubt: Er müsse rein sein. Stark.
Stark genug, um alles zu tragen.
Gestorben für Sünden,
die sie erfunden haben.
III.
Und wieder steigt sie hinab.
Nicht in ihre Tiefe –
in seine.
Die aus Stein und Schuld,
aus Weihrauch und Schweigen gebaut ist.
Findet ihn:
ein Mann,
nicht tot,
aber hohl.
Am Kreuz fixiert.
Er glaubt:
Er muss.
Tragen. Retten.
Darf nicht begehren.
Nicht zweifeln.
Nicht tanzen.
Er erkennt sie nicht.
Denn sie haben ihr Bild verbrannt,
ihren Namen ausgelöscht,
ihre Lust verteufelt.
Doch sie erkennt ihn.
Sie nennt ihn:
Bruder.
Ihre Hand
auf seiner Wunde.
Kein Mitleid.
Erinnerung.
Er atmet.
Das Kreuz wird Baum.
Die Nägel Blüten.
Nicht Licht über ihm –
er trägt das Licht
in sich.
Sie gehen
nicht zum Himmel,
sondern in die Wildniss.
Nicht in Tempel –
in den Leib.
IV.
Und so beginnt endlich die Auferstehung:
Nicht Erlösung –
zwei Körper, die sich erinnern.
Nicht Sieg –
ein Blick, der nicht richtet.
Kein Aufstieg ins Licht,
sondern ein Wurzeln ins Dunkel.
Nicht das Ende der Nacht –
der Anfang im Atem.
Nicht Gesetz –
Berührung.
Dort,
wo das Lied der Erde
durch offene Körper geht.
Wo Inanna wartet.
