Gespräche mit dem höheren Selbst (Teil 3)
„Wie geht es dir heute?“, fragte mich mein höheres Selbst.
„Nachdenklich“, sagte ich.
„Worüber denkst du nach?“
„In unserem ersten Gespräch hast du gesagt, wir Menschen müssen lernen, zu geben, was wir wirklich geben wollen. Warum tun wir das nicht einfach? Warum zeigen wir uns nicht so, wie wir wirklich sind?“
“Weißt du, was alle Menschen gemeinsam haben?”
„Hm…alle?“
“Sie haben alle Angst”
“Ich weiß nicht…alle? Meinst du? Letztes Mal, als wir geredet haben, hatte ich gerade meine eigene Angst gespürt. Die schränkt mich ein und hindert mich manchmal, mich so zu zeigen wie ich bin. Ich weiß auch, woher die kommt. Ich habe als Kind mal etwas schlimmes erlebt. Aber ob das allen so geht? Das glaube ich nicht”
“Vielleicht gibt es ein paar Ausnahmen. Aber die sind selten. Die allermeisten Menschen werden von der Angst beherrscht”
“Warum sollte das so sein?”
“Weil wir in einer traumatisierten Gesellschaft leben. Wir sind auf einem Irrweg. Alle zusammen.”
Ich spürte Zweifel in mir aufkommen. Klar, es war nicht alles super mit der Menschheit. Zu viel Gier, zu viel Kapitalismus, zu viele Kriege und das mit dem Klimawandel bekamen wir auch nicht in den Griff. Aber waren wir wirklich auf einem Irrweg?
“Du willst es nicht wahrhaben”, stellte mein höheres Selbst fest. “Aber so geht es allen Menschen. Weil sie ihre Angst nicht wahrhaben wollen, reden sie sich ein, dass sie alles richtig machen.Sie merken nicht, dass die Angst sie gefangen hält. Sie geben nicht aus ihren vollen Herzen, dafür beschäftigen sie sich mit dem, was sie glauben, haben zu müssen. Sie betäunem sich mit dem neuen Auto, dem teuren Urlaub oder mit irgendetwas anderem. Sie sind nicht zufrieden und sie sind nicht frei, auch wenn sie glauben sie wären es. Sie sind Gefangene ihrer Angst. So wie du.”
„Übertreibst du nicht? Warum sollten alle Gefangene ihrer Angst sein?“
„Warum bemühen sich die Menschen so? Warum arbeiten sie in Jobs, die ihnen keinen Spaß machen? Warum versuchen sie es anderen recht zu machen und vergessen dabei sich selbst?“
„So ist eben die Welt. Wir sind hier nicht bei „Wünsch dir was“ sondern bei „So isses!“ würden viele sagen…“
„Warum? Warum glaubst du, dass die Welt so ist?“
„Wer was erreichen will, muss sich eben anstrengen…“
„Ja, davon sind alle überzeugt. In der Zeitung steht, dass 80 Prozent aller Deutschen Existenzangst haben. Das haben sie gelernt, von klein auf. Nur die Harten kommen in den Garten und so was. Und darüber verlieren sie sich selbst. Sie vergessen das, wozu sie hier sind, was ihre ureigene Gabe ist. Und legen sich ein falsches Selbst zu. Einen Charakterpanzer, so hat das mal der Psychologe Wilhelm Reich genannt. Mit diesem falschen Selbst leben wir und auf diesem falschen Selbst basiert unsere ganze Gesellschaft. Wir versuchen krankhaft, normal zu sein. Kennst du den Satz: „Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.“
„Ja, aber ist unsere Gesellschaft denn krank?“
„Sag du’s mir. Ist eine Gesellschaft, die sich selbst zerstört, die es nicht schafft, umzukehren obwohl offensichtlich ist, dass sie auf einen Abgrund zurast, gesund?“
„Du meinst den Klimawandel?“
„Und Kriege, den Hunger auf der Welt, die soziale Ungerechtigkeit, die Tatsache, dass die reichen Staaten auf Kosten der Armen leben…“
„Das sehe ich auch, aber was soll einer allein dagegen machen? Und es ging doch eigentlich um das, was du die Matrix der Angst nennst?“
„Das hängt alles zusammen. Warum denkst du werden Kriege geführt und warum schaffen wir es nicht, uns einzuschränken, um das Klima zu retten?“
„Weil Menschen gierig sind.“
„Ja, aber was steckt hinter der Gier. Warum wollen wir immer mehr haben?“
„Aus Angst zu wenig zu bekommen?“, antwortete ich sehr spontan.
Sie sagte nichts. Da bemerkte ich, was ich gerade gesagt hatte. Angst. Angst zu wenig zu bekommen war die Triebfeder der Gier. Die Menschen wurden von ihrer Angst angetrieben. Und wenn ich darüber nachdachte, steckte dieselbe Angst hinter dem Bemühen der Menschen, nur ja nicht auf der Strecke zu bleiben.
Minutenlang schwiegen wir.
„Jetzt siehst du es auch.“
Mein höheres Selbst fragte nicht, es stellte fest. Ja, ich sah es auch. Ich sah die stockdunkle Wolke der Angst, die sich hinter allem zeigte. Mir wurde auch klar, dass in einem solchen Klima der Angst, der Zugang zum waren Selbst verloren gehen muss.
„Aber warum sind wir so? Das muss doch schon Menschen aufgefallen sein. Warum ändern wir das nicht?“
„Weil wir glauben, keine Wahl zu haben.“
„Haben wir denn eine Wahl?“
„Ja…die hast du und die hat jeder, der die Augen aufmacht und die Welt so sieht, wie sie wirklich ist. Aber darüber reden wir ein anderes Mal. Weißt du, erstmal ist es wichtig, zu sehen, wie es ist. Die Angst zu erkennen. Und Mitgefühl mit dir selbst zu haben. Du wirst erkennen, dass du die Angst hinter dir lassen kannst. Aber erstmal ist sie da und darf auch da sein und gespürt werden. Aber wir sehen uns wieder, und dann gehen wir den nächsten Schritt. Versprochen!“