Darf man heute noch Pazifist sein?

Eine Friedenstaube

Gespräche mit dem höheren Selbst – Teil 4

„Wie geht es dir?“, fragte mich mein höheres Selbst

„Hm…ich weiß nicht so recht. Dieser Krieg…“

„Der ist schrecklich…und was löst er in Dir aus?“

„Weißt du, einerseits sehe ich, dass Putin ein Verbrecher und Menschenschlächter ist. Den muss man aufhalten…andererseits…“

„Ja?“

„Anderseits war ich immer davon überzeugt, dass Pazifismus der einzig richtige Weg ist. Bei der momentanen Stimmung habe ich kein gutes Gefühl. Es wirkt so, als wäre man ein Unmensch, wenn man dem Pazifismus das Wort redet. Es wird von Lumpenpazifisten geredet. Aber immer noch mehr Waffen, immer noch mehr Soldaten, immer noch mehr Tote…das kann doch nicht der Weg sein…“

„Da hast du recht.“

„Hab ich das? Kann man in dieser Situation noch Pazifist sein?“

„Hm…kannst du dich noch an Deine Schulzeit erinnern?“

„Schon…aber was hat das damit zu tun?“

„Damals ging es doch auch um einen Ost-West-Konflikt…weißt du noch, was Deine Lehrer so erzählt haben?“

„Dass wir unsere Freiheit verteidigen müssen. Dass wir, wenn die Russen uns überfallen würden und wir uns nicht wehren würden, alles verlieren würden und deshalb immer weiter aufrüsten müssen…“

„Und hast du das geglaubt?“

„Nein…“

„Warum nicht?“

„Ich hatte immer schon das Gefühl, dass das nicht stimmt…mich haben da Menschen wie der Konstantin Wecker geprägt…aber dann war ich in Ost-Berlin, und dann wusste ich, dass das nicht stimmt…“

„Warum?“

„Weil ich da junge Menschen kennengelernt habe…und gesehen habe, wie die leben. Es gab die Stasi. Es gab keine Reisefreiheit und Denkverbote. Das war großer Mist. Aber das, was das Leben für mich wirklich lebenswert macht, das hatten die auch. Die haben gelebt, geliebt, getanzt, geträumt…ja, deren Leben war verglichen mit meinem unfreier. Aber würde ich mein Leben riskieren für den Unterschied? Nein. Würde ich töten wollen für den Unterschied? Nein…Und am wichtigsten: wäre damals ein Krieg gekommen, wären die uns gegenüber gestanden. Dann hätten wir uns gegenseitig getötet. Und keiner von uns hätte wirklich einen Grund dafür gehabt. Wir hätten uns getötet, weil irgendwelche Machthaber ihre Macht erweitern oder erhalten wollten, nicht wegen Freiheit, nicht wegen Gerechtigkeit, nur wegen Macht…“

„Und ist das in der Ukraine anders?“

„Ich weiß es nicht…“

„Glaubst du, die russischen Soldaten würden Ukrainer töten, wenn man sie nicht entweder dazu zwingen würde oder jahrelang geschickt manipuliert hätte, so wie man damals euch im Osten und Westen manipuliert hat. So wie man euch gelehrt hat, zu hassen?“

„Hm…“

„Ohne Hass gibt es keinen Krieg. Es hätte niemand ein Interesse daran, ein anderes Land zu beherrschen. Die meisten Menschen wollen nur leben, lieben, tanzen und träumen…herrschen wollen nur wenige…und die schüren bei den anderen erst Angst und dann Hass…“

„Das ist leider so…“

„Weißt du, die Geschichte vom Feind ist sehr mächtig. Den Russen erzählen sie von den Nazis in der Ukraine, und euch brauchen sie nicht viel zu erzählen, es reicht, euch zu zeigen was passiert. Und schon seid ihr alle bereit, euch gegenseitig den Schädel einzuschlagen. Weil die Menschen, die mächtig sind und bleiben wollen, es so wollen. Und darum geht es. Die Spirale des Hasses zu durchbrechen. Dann geht es nicht mehr darum, wie man mit immer mehr Waffen dem Feind am besten den Schädeln einschlägt, sondern darum, denen, die ein Interesse an Macht und Gewalt haben ihre Macht entzieht. Und weißt du, was der Weg dorthin ist?“

„Pazifismus?“

„Ja, Pazifismus ist der einzige Weg, die Utopie, die mit Leben gefüllt werden muss. Nicht irgendwann, wenn eh Frieden ist, sondern genau jetzt. Es braucht Menschen, die für Gewaltlosigkeit ihre Stimme erheben, ohne sich vor einen Karren spannen zu lassen. Es braucht Menschen, die sagen, dass immer mehr Waffen und immer mehr Gewalt niemals Frieden bringen. Lass dich nicht von dem Weg abbringen, den du schon als Jugendlicher als den richtigen erkannt hast. Und weißt du was, mir fällt gerade ein Lied ein, das könntest du mal wieder hören….weil du vorhin den Konstantin Wecker erwähnt hast. Das fasst wunderbar zusammen, worüber wir gerade gesprochen haben…“

„ich glaube ich weiß, welches du meinst…diese hier…“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert